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Streitfall: Wer darf mit der Wanderhure?

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cover_julius-fischer_die_schoensten_wanderwege_der_wanderhure120Die Verlagsszene ist wieder einmal hochgradig empört. Nach dem juristischen David gegen Goliath – Streit in dessen Verlauf dem Carlsen Verlag gegen den Unsichtbar Verlag die Rechte an einem Buchformat zugesprochen wurden (10 x 10 = Pixi), kommt es erneut zu einem juristischen Gefecht zwischen einem Big Player und einem kleinen Underdog der Bücherbranche.

Eine Frage der Schutzwürdigkeit

Rund zehn Monate nach dem Fall Carlsen gegen Unsichtbar fechten mit der Verlagsgruppe Droemer Knaur und dem Verlag Voland & Quist wieder zwei Buchverlage ihre Streitigkeiten vor einem ordentlichen Gericht aus. Diesmal geht es um eine angebliche Verletzung des Rechts an dem Titel/Titelbestandteil Wanderhure. Die Reihe der historischen Romane von Iny Lorenz gehören aktuell zu den erfolgreichsten Büchern der Münchener  Verlagsgruppe. Nun hat der Verlag Voland & Quist eine Persiflage des junge Leipziger Autors Julius Fischer mit dem Titel Die schönsten Wanderwege der Wanderhure über die zunehmende Kommerzialisierung der literarischen Szene auf Kosten kultureller und künstlerischer Ansprüche herausgegeben, was  bei Droemer Knaur nicht gut ankam. Weniger die offensichtlich ironische Betrachtung auch seines Buchgeschäfts vergrämte den Großverlag, als der dafür genutzte Titelbestandteil Wanderhure. Hier sieht Droemer Knaur eine Verletzung seiner Titelrechte. Dagegen verteidigt Voland & Quist sein satirisches Werk mit dem Recht auf künstlerische Freiheit. Die Fronten sind verhärtet und wieder einmal müssen Richter zum Wohle der Kultur schlichten.

Wie immer, wenn ein großer mächtiger Wettbewerber gegen einen kleineren Mitstreiter einen Disput anfängt, wabert große Empörung aus den Beiträgen diverser Blogs und sozialer Netzwerke mit dem gleichen Tenor: Der Große ist Schuld und der arme Kleine wird ungerecht behandelt. Aber ist es wirklich so, das hier ein kleiner unschuldiger Verlag von einem großen mächtigen Verlagshaus unterdrückt wird oder muss sich der Verlag Voland & Quist nicht auch selber eingestehen, eine Fehler begangen zu haben?

Alles erlaubt im Namen der Kunst?

Es geht um dem Begriff Wanderhure. Grundsätzlich ist es ein generischer (beschreibender) Begriff, wie Mehl, Apotheker oder Flugzeug, der frei von Rechten und von jedem uneingeschränkt nutzbar ist. Aber auch ein solch generischer Begriff kann meines Wissens ohne explizite Markeneintragung in einem abgegrenzten Zusammenhang zu einer schützenswerten Marke werden, wenn er von der Allgemeinheit unmittelbar und eindeutig mit einer Sache in Verbindung gebracht wird. So ist das Wort Wanderhure auf dem Büchermarkt unumstritten mit den Büchern von Iny Lorenz verbunden. Die Verlagsgruppe Droemer Knaur hat einiges dafür getan, um die Buchreihe so erfolgreich zu machen, wie sie ist. Es ist in diesem Falle ja nicht nur eine wirtschfatliche Marketingleistung, sondern die literarische Meisterleistung einer Autorin, die den Begriff so bekannt gemacht hat. Und daher stehe ich auf dem Standpunkt, dass ihr auch ein Stückweit der Ruhm und das Anrecht auf den Titel Wanderhure zustehen. Das Recht auf künstlerische Freiheit ist ein hohes Gut, dass es zu verteidigen gilt. Aber es kann nicht immer für alle Arten von Tabu- oder Rechtsbrüchen vorgeschoben werden.

Verbraucherschutz auch bei Büchern

Ein weiterer Punkt, der mir zu dieser Auseinandersetzung einfällt ist der Verbraucherschutz. Wir Blogger und ich vermute auch die Verlage und Autoren gehen häufig davon aus, dass alle Buchkäufer immer über den Buchmarkt, über Verlage und Autoren umfassend informiert sind und genau wissen, was sie wollen und letztendlich kaufen. Ich denke aber, dass der Großteil der Buchkäufer seine Einkäufe so abwickelt, wie das Einkaufen von Reinigungsmitteln. Er kauft nach Bekanntheit und Etikett ohne genau zu wissen, was darin ist. Und wenn er im Titel ein so markantes Wort wie Wanderhure ließt, wird er denken: “ Habe ich schon einmal gehört, soll gut sein, kauf ich“. Es kann also passieren, dass der Kunde Fischers Buch Die schönsten Wanderwege der Wanderhure kauft, obwohl er etwas ganz anderes erwarte und eigentlich möchte. Die Titelseite des Buches und auch der Titel sind meines Erachtens auch Verbraucherinformationen. Hier ist auch ein Verantwortungsbewusstsein gefragt. Wenn nicht das darauf steht, was drin ist, kann sich ein Käufer in die Irre geleitet fühlen.

Es hätte nicht passieren müssen

Es ist schade, dass es soweit kommen musste. Aber entgegen der weitverbreiteten Meinung bin ich nicht davon überzeugt, dass die Verlagsgruppe Droemer Knaur der schlimme Bösewicht ist. Meiner Meinung nach hat sich der Verlag Voland & Quist eher ungeschickt oder unüberlegt verhalten. Der Begriff wurde bewusst gewählt, ob aus künstlerischer oder marketingtechnischer Sicht sei dahin gestellt. Voland & Quist hätte den Streit aber umgehen können, wenn er gut sichtbar und ehrlich einen erklärenden Untertitel gewählt hätte, wie z.B. „eine Persiflage über den Büchermarkt“. Ob dies juristisch sauberer gewesen wäre, vermag ich nicht zu beurteilen. Es wäre aber grundsätzlich transparenter. Der kleine kaum leserliche Hinweis „Kein historischer Roman“ wirkt auf mich eher wie das Kleingedruckte bei Zeitungsabos oder Mobilfunkverträgen. Wenn Droemer Knaur die nicht autorisierte Nutzung durchgehen lässt, schafft der Verlag einen Präzedenzfall und weiteren unerlaubten Nutzungen des Titels Wanderhure wären Tür und Tor geöffnet, was dazu führt, dass das Alleinstellungsmerkmal der erfolgreichen Buchreihe und auch das schon als Marke oder Prädikat anzusehende Wort Wanderhure an Bedeutung verlieren würden, was dem Verlag und auch der Autorin schaden könnte.

 

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